Hin- und Hergerissen? – In drei Phasen zur Entscheidung

Viele interne und externe Faktoren beeinflussen maßgeblich, ob Sie das Studium fortführen oder beenden. Ein Überblick über die drei Phasen der Entscheidungsfindung hilft Ihnen, diese Faktoren zu bestimmen und so Ihre Situation zu verorten.

Junger Mann sitzt mit einer Gitarre in einer Düne am Strand und blickt aufs offene Meer.
Wohin geht der Weg? Bei der Entscheidungsfindung hilft ein „klarer Kopf“. Marco Berg hat dafür zu seiner Gitarre gegriffen. © JOBSTARTER / Fotograf: Thilo Schoch

Wie kommt es eigentlich zum Studienabbruch und wie kann man diesen verhindern? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) bereits 2010 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Studie identifizierte drei Phasen, die maßgeblich für Ihren Studienerfolg sind oder zum Studienabbruch führen:

  • Studienvorphase,
  • aktuelle Studiensituation
  • und Entscheidungssituation.

In diesen Phasen wirken laut Studie verschiedene Faktoren zusammen, die den Studienerfolg beeinflussen, zum Beispiel ob

  • Sie intrinsisch oder extrinsisch motiviert sind,
  • Sie ausreichend über das Studium informiert sind,
  • wie die Rahmenbedingungen für das Studium aussehen und
  • wie hoch Ihre persönliche Leistungsbereitschaft bzw. Ihr persönliches Leistungsvermögen ist.

All diese Faktoren können den Studienabbruch verhindern oder befördern. Meistens ist eine Kombination verschiedener Gründe dafür verantwortlich, ob Sie Ihr Studium fortführen oder abbrechen werden. Allerdings trifft niemand diese Entscheidung von heute auf morgen. Daher sollten Sie sich auf einen längeren und häufig auch mühsamen und quälenden Entscheidungsprozess einstellen.

Das folgende Modell erklärt die drei Phasen der Entscheidungsfindung und zeigt, in welcher Phase welche Faktoren beeinflussen, ob Sie sich für oder gegen die Fortführung des Studiums entscheiden:

Grafik: Modell des Studienabbruchprozesses nach DZHW-Studie
Studienvorphase, aktuelle Studiensituation und Entscheidungssituation: Das Modell des DZHW beschreibt den Prozess des Studienabbruchs in drei Phasen. © DZHW

PHASE 1: STUDIENVORPHASE ODER DER BLICK ZURÜCK

Wenn Sie diesen Text lesen, zweifeln Sie vermutlich an Ihrem Studium. In dieser Situation ist es wichtig, dass Sie sich über Ihre Zweifel Klarheit verschaffen. Dabei bietet es sich an, zunächst einen Blick in die Vergangenheit zu werfen:

  • Was hat Sie besonders geprägt?
  • Welche Schule haben Sie besucht?
  • Welche Ereignisse haben Sie in Ihrer Studienwahl beeinflusst?
  • Wie intensiv haben Sie sich mit Ihrer Studienwahl auseinandergesetzt?
  • Haben Sie bereits Berufserfahrung gesammelt?

Eine genauere Analyse und Reflexion der damaligen Voraussetzungen, Bedingungen und Erwartungen kann Ihnen wertvolle Hinweise liefern, um Ihre aktuelle Studiensituation und die vorhandenen Zweifel zu verstehen und einordnen zu können.

Was die Studie sagt

Die Studienvorphase bezieht Ihre gesamte Lebenszeit vor Studienaufnahme mit ein, beispielsweise Ihre soziale Herkunft oder den Bildungsgrad Ihrer Eltern. Erfahrungen, die Sie im Elternhaus oder mit Freundinnen und Freunden gesammelt haben, wirken sich durchaus auf die Art und Weise aus, wie Sie studieren. Denn daraus ergeben sich im späteren Lebensalter die Studienvoraussetzungen – zum Beispiel, welche Schule Sie besucht, welchen allgemeinbildenden Schulabschluss Sie erreicht und gegebenenfalls auch ob Sie bereits vor Beginn Ihres Studiums eine berufliche Ausbildung und/oder berufliche Tätigkeiten absolviert oder aufgenommen haben. Diese in der Studienvorphase gewonnen Erfahrungen und Fähigkeiten bestimmen Ihre konkreten Studienvoraussetzungen, die wiederum entscheidend dafür sind, ob Ihnen der Studieneinstieg leicht gefallen ist oder problematisch war.

Welches Studium Sie gewählt haben, ist aber auch Ergebnis individueller Neigungen, beruflicher Ziele und persönlicher Erwartungen. Sehr wichtig ist ferner, ob Sie sich vor Studienbeginn ausreichend über Ihr Studium, das gewählte Studienfach und die Hochschule informiert haben. Insbesondere der häufig genannte Studienabbruchsgrund „falsche Studienwahl“ ergibt sich laut DZHW-Studien in der Regel nicht allein aus einer mangelnden Identifikation mit dem gewählten Studiengang und -fach, sondern auch aus fehlender Information und unzureichender Selbstkenntnis. Nicht wenige Studentinnen und Studenten steigen offenbar mit unrealistischen Vorstellungen und Erwartungen in ihr Studium ein.

PHASE 2: DIE AKTUELLE STUDIENSITUATION ODER WO STEHE ICH JETZT?

Die zweite Phase des Prozesses ist die aktuelle Studiensituation. In dieser befinden Sie sich wahrscheinlich gerade. Sie sollten sie genau unter die Lupe nehmen: Wenn Sie das Studium abbrechen, welche Gründe würden Sie dafür in erster Linie nennen? Ist der Leistungsdruck zu hoch oder können Sie sich mit den Inhalten des Studiums nicht identifizieren? Schreiben Sie alles auf, was Sie momentan stört und belastet. Danach können Sie die Ursachen ranken: Was hemmt Sie am stärksten und womit könnten Sie leben? Anschließend überlegen Sie, welche Faktoren Sie selbst in der Hand haben und welche Sie nicht ändern können. Umso mehr Sie selbst an Ihrer Situation arbeiten können, desto höher sind Ihre Chancen, das Studium weiterzuführen und erfolgreich abzuschließen. Manchmal hilft es bereits, seine Lernmethoden zu ändern, um zum Beispiel die Stoffmenge besser zu bewältigen. Übrigens: Auch die klassische Pro-und-Kontra-Liste hilft Ihnen dabei, eine Entscheidung für oder gegen das Studium zu treffen. Es bietet sich an, die Ursachenanalyse sowie die Pro-und-Kontra-Liste mit jemandem zu besprechen. Neben Familie und Freunden sollten Sie dazu auch eine professionelle Beratungsstelle aufsuchen. Einige davon finden Sie auf unserer interaktiven Landkarte.

Was die Studie sagt

Diese Phase ist laut DZHW-Studie durch ein Zusammenspiel verschiedener innerer und äußerer Faktoren charakterisiert. Zu den inneren Faktoren rechnet die Studie die Leistungsfähigkeit, die psychischen und physischen Ressourcen sowie die Studienmotivation. Das heißt, dass zum Beispiel Ihre Konzentrations- und Lernfähigkeit sowie Ihre Fähigkeiten, sich an die Studienanforderungen anzupassen, für den Erfolg Ihres Studiums mitverantwortlich sind. Die Studienmotivation gibt darüber Auskunft, warum Sie sich für den Studiengang entschieden haben. Hierzu zählt auch, ob Sie sich mit dem Fach identifizieren können und wie Sie die Arbeitsmarktchancen bewerten. Extern wird der Studienerfolg außerdem von den Studienbedingungen wie der Qualität der Lehre und der Betreuung während des Studiums sowie Ihrer persönlichen Lebenssituation – dazu gehören vor allem Ihre familiäre, finanzielle und gesundheitliche Situation – sowie Ihre soziale Integration in den Lebensraum Hochschule bedingt. Fühlen Sie sich zum Beispiel in die Universitätsgemeinschaft integriert, haben Sie Freunde am Studienort, Kontakt zu Kommilitonen und Lehrenden und nehmen Sie regelmäßig an Hochschulveranstaltungen auch außerhalb Ihres Studiums teil?

PHASE 3: DIE ENTSCHEIDUNGSSITUATION ODER WAS KOMMT ALS NÄCHSTES?

Studium fortführen oder abbrechen? Diese Entscheidung steht Ihnen vermutlich noch bevor. Wichtig für Ihren Entschluss ist auf jeden Fall, dass Sie genau prüfen, was „Ihr Ding“ ist. Dabei können und sollten Sie sich auch von Freunden, Ihrer Familie und insbesondere von professionellen Expertinnen und Experten – wie zum Beispiel der Studienberatung, dem Career Center oder dem psychosozialen Dienst an Ihrer Hochschule – beraten lassen. Ausschlaggebend für Ihre Entscheidung sind auch Ihre Zukunftspläne: Falls Sie beispielsweise unbedingt Arzt oder Anwalt werden möchten, dann sind Sie zur Erfüllung dieses Traums auf einen Studienabschluss angewiesen. Falls Sie hingegen gemerkt haben, dass Sie keinesfalls eine Tätigkeit ausüben möchten, für die Sie eine wissenschaftliche Ausbildung brauchen, dann ist ein Hochschulstudium nicht erforderlich. Machen Sie sich hierüber Gedanken und nehmen sich dafür Zeit, aber zögern Sie Ihren Entschluss nicht unnötig hinaus. Um eine gut überlegte Entscheidung zu treffen, können Ihnen die Informationen aus dem Artikel „Was bewegt mich? Motive für Studienzweifel erkennen“ zusätzlich weiterhelfen.

Was die Studie sagt: Der Zeitpunkt der Entscheidung

Laut DZWH-Studie bewirken die skizzierten Bedingungsfaktoren aus den drei Phasen der Entscheidungsfindung allerdings nicht direkt und unmittelbar einen Studienabbruch. Stattdessen haben sie einen enormen Einfluss auf die jeweils aktuelle Motivlage der oder des Studierenden. Dieser Einfluss kann für das Erreichen eines Studienabschlusses sowohl fördernd als auch hemmend sein. Ein hemmender Einfluss ebnet dann möglicherweise den Weg zum Studienabbruch. Allerdings geht der Zeitpunkt, an dem ein Studium entweder gestärkt wieder aufgenommen oder letztlich abgebrochen wird, in der Regel mit einem ausschlaggebenden Ereignis oder einer ausschlaggebenden Erfahrung einher.

Grafik: Motivsituation bei Studienabbruch
Das ausschlaggebende Ereignis steht am Ende des Entscheidungsprozesses. © DZHW

Für den Fall eines Studienabbruchs stellen die DZWH-Studien insgesamt einen Rückgang der bisherigen Studiendauer fest: Hatten die Studienabbrecherinnen und -abbrecher 2001 noch im Schnitt 7,6 Semester studiert, bevor sie das Studium aufgaben, waren es für die Abbrecherinnen und Abbrecher 2008 nur noch 6,3 Hochschulsemester. Der Zeitpunkt des Studienabbruchs variiert zudem von Studiengang zu Studiengang und auch von Universität zu Fachhochschule. Studierende an Fachhochschulen brechen das Studium im Schnitt eher ab als Studierende an Universitäten. Im Vergleich der Studienfächer zeigt sich, dass Studierende aus den Fächern Mathematik/Naturwissenschaften am frühesten abbrechen – im Schnitt nach 4,1 Fachsemestern. Danach folgen Studentinnen und Studenten der Ingenieurswissenschaften (4,6 Semester). Die spätesten Abbrüche erfolgen in den Rechtswissenschaften (8,4 Semester). Der größte Unterschied im Zeitpunkt des Studienabbruchs ergibt sich allerdings bei der Betrachtung der Abschlussart: 63 Prozent der Bachelor-Studenten entscheiden sich im ersten oder zweiten Semester, das Studium aufzugeben. Im Schnitt verbleibt eine Studienabbrecherin oder ein Studienabbrecher im Bachelor-Studiengang nur 2,9 Semester an der Universität, während es bei den anderen Abschlussarten 8,4 Semester sind. Der oben genannte Rückgang bei der Studiendauer vor einem Studienabbruch kann demnach auch auf die Umstellung der Diplom- und Magister- zu den Bachelor- und Masterstudiengängen zurückgeführt werden.

Grafik: Durchschnittliche Fachstudiendauer bis zum Studienabbruch nach ausschlaggebendem Abbruchsgrund / Mittelwerte der Fachsemester
Laut der Studien des DZHW verlassen die meisten Studierenden aufgrund von Leistungsproblemen die Hochschulen. Darauf folgen finanzielle Probleme und mangelnde Studienmotivation. © DZHW

Setzt man die Studiendauer bis zur Exmatrikulation mit den durch die Studienabbrecherinnen und -abbrecher für ihren Entschluss angegebenen Gründen in Bezug, stellt sich heraus, dass mangelnde Studienmotivation, Leistungsprobleme und die Studienbedingungen zu einem vergleichsweise frühen Abbruch führen. Familiäre und finanzielle Probleme, Prüfungsversagen und gesundheitliche Gründe werden dagegen meistens bei späteren Studienabbrüchen genannt.

WEITERE INFOS

Weitere Fakten zu Studienabbruchsquoten, Studienabbruchsprozess, Motiven und Zeitpunkt des Studienabbruchs finden Sie in der DZHW-Studie „Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in herkömmlichen Studiengängen“.

Weitere Informationen zu den wesentlichen Motiven für einen Studienabbruch finden Sie in dem Artikel „Was bewegt mich? Motive für Studienzweifel erkennen“. Oder Sie führen das Self-Reflection-Tool des Projekts „PrevDrop“ durch. Mit dem Online-Self-Assessment können Sie Ihre eigene Studiensituation strukturiert erfassen und Ihren persönlichen Beratungsbedarf identifizieren.

Antworten auf häufig gestellte Fragen finden Sie in unseren FAQs.